Afrikatag 2009

Afrika-Tag 2009 am 28. März 2009

Der zum 3.Mal stattfindende Afrika-Tag gehört zum fixen Bestandteil unseres jährlichen Vereinsprogramms und fand heuer zum Thema „Tirol- auch unsere Heimat? Das Heimatgespräch zwischen MigrantInnen und Einheimischen anlässlich des Andreas Hofer Gedenkjahres 2009“ statt.


Die Veranstaltung beinhaltete:
eine Diskussion im Sinne eines offenen Gespräches zum Thema verbunden mit szenischen Impulsen der Improvisationstheatergruppe „Spect Act“
gemeinsames Essen und Musik mit den beiden Musikgruppen „Ayakata Group“ und „divan tulip“

Kooperationspartner für diese Veranstaltung waren das Haus der Begegnung/Innsbruck und „Initiative Minderheiten Tirol, die Veranstaltung dauerte von 16:00 bis 22:00.

Im Folgenden ein Bericht zur Diskussion:

Anwesende Ehrengäste:

LR Reheis Gerhard
Dr. Renate Krammer-Stark
Mag.a Araba Johnson-Arthur, Uni Wien
Mag.a Uschi Schwarzl
Mag. Hannes Gstir
Prof. Peter, Stöger, Uni Ibk.
Durmus Gamsiz, Institut für Friedens-Dialog
Felly Fuchs, Sozialarbeiterin
Mag.a Beatrice Achaleke, Gründerin und Leiterin des Center for Black Women Affairs, Wien
Mag. Simon Inou, Journalist, Wien
Raphael und Samuel Obeng, Schüler, Hall in Tirol
Frau Günther Cedik, Vertreterin der Aleviten in Tirol
Dr. Gerhard Hetfleisch, Geschäftsführer Zentrum für MigrantInnen in Tirol
Frau Weiskopf-Mungenast, Vertreterin der Jenischen Minderheit in Tirol
Dr. Bela Bello Bitugu, Pädagoge, Vorstandsmitglied des Bündnis LISA
Mesut Onay, Kulturverein Evrensel

16:30: Mag. Oscar Thomas-Olalde begrüßt im Namen des Hauses der Begegnung als Mitveranstalter alle Gäste

Mag.a Waltraud Gaugl-Anyanwu, Vorstandsmitglied der Initiative zur gelebten Integration, begrüßt alle Gäste, Kooperationspartner und Sponsoren der Veranstaltung (Initiative Minderheiten Tirol, Caritas Integration, Integrationshaus, Haus der Begegnung, JUFF Integrationsreferat, Kulturabteilung des Landes Tirol, Stadt Innsbruck, Kaufhaus Onay, im Namen der Initiative zur gelebten Integration

Eröffnungsrede von Mag. Daniel Dratele (Obmannstellvertreter) im Namen der Initiative zur gelebten Integration (Rede als Anhang)

Übergabe an die beiden Moderatoren des offenen Gespräches: Mag. Walter Anyanwu, Obmann der Initiative zur gelebten Integration und Yeliz Dagdevir, Geschäftsführerin der Initiative Minderheiten Tirol.
Sie begrüßen alle Gäste, VertreterInnen aus Politik, Bildung, Kirche, Kultur, NGO´s und Medien und führen in das Gespräch.

Die erste Wortspende kommt von LR Reheis zum Thema, da er wegen eines anderen Termins nicht den ganzen Nachmittag an der Veranstaltung teilnehmen kann.

Im Anschluss folgen kurze inhaltliche Statements von Mag. Anyanwu und Fr. Dagdevir (Zitate zur Heimat von Max Frisch, Karl Jaspers, Felix Mitterer, Goethe).

Armin Staffler von “Spect Act” leitet durch eine szenische Darstellung zum Begriff “Heimat”, der Verortung in einem Raum und des Verlassens und Veränderns eines Platzes. Auch wie Menschen einander in einem Raum begegnen, wie sie mit ihrem Körper Heimat darstellen.

Diskussionsbeiträge:

Dr. Hetfleisch: Zugewandert aus dem Burgenland, Frage an Weingartner nach Staatsbürgerschaft (nach 5 Generationen wird man erst zum Tiroler). Er selbst meint: „Heimat ist dort wo ich Freunde hab.“
Verzicht auf Vater- bzw. Mutterland – Verzicht auf nationale Gebilde.
Andreas Hofer – kein „Taliban“, aber rückschrittlich und reaktionär.

Prof. Stöger: Protest zur Sicht von A. Hofer: Verständnis für seine Revolutionsform. Zugunsten des Hauses Habsburg, Verbot der religiösen Identität. Prof. Stöger plädiert für das Belassen der Gangart der Völker in Richtung Freiheit.

Mag.a Schwarzl: Hofer-Diskussion reizt sie, „wer sind die Tiroler?“, die Innsbrucker waren nicht so glücklich über Hofer-Herrschaft – Hofer hätte nie Geschichte werden dürfen, heute, 200 Jahre danach wird noch immer dessen Gedankengut zelebriert, merkwürdig, als ob es keine Aufklärung geben hat.
Heimatbegriff ist nicht Tirol. Ich bin in Innsbruck und nicht in Tirol. Bin gerne in Pitztal aber wohne nicht dort, kleine Einheit für den Heimatbegriff.

Mag. Gstir: Relativierung:    LH nach Weingartner war ein OÖer. Gemeinde Inzing: Zugewanderte wurden als solche bezeichnet, mittlerweile integriert in Vereine und politische Gremien. Hoffnung, dass Zugewanderte bald eine größere Rolle spielen.

Mag.a Johnson: Tirol spielt keine Rolle. In Wien bin ich Breitenfurterin. Sag ich das begegnet man mir mit Gelächter oder Empörung.
Das Gesicht Österreichs ist heute nicht mehr klassisch. Sind wir in der Lage, dieses neue Bild entsprechend wahrzunehmen? Farbige ÖsterreicherInnen müssen täglich rechtfertigen, wo komme ich her, wo gehe ich hin. Heimat ist vielfältig (Schnitzel, Essen aus Kamerun, politische Aktivität). Ist Heimat etwas Einheitliches, Homogenes oder muss man die eigene Staatsbürgerschaft aufgeben um die Österreichische zu erreichen? (Frage zur Doppelstaatsbürgerschaft)

Ylmas: Wie geht es uns damit, uns vorzustellen, wir hätten einen türkischen Präsidenten oder afrikanische Bürgermeister?

Mag. Rukundo Emanuel: hat zwei Staatsbürgerschaften, wohnt in Hötting seit 1999, seit ca. 20 Jahren vermehrt gemischte Kinder (ca. 8 – 10). Bild hat sich verändert (Schule, etc). Entscheidende Frage: wie weit nimmt die Öffentlichkeit und Politik dieses bunte Bild wahr? Eindruck: es gibt Leute, die das schon wahr nehmen und damit arbeiten wollen.

Prof. Stöger: Exkurs zu zwischenstaatlichen Abkommen.
Heimat = Nation – gemeinsame Vergangenheit. Österreich als Heimat aber nur unter der Prämisse der multikulturellen Gemeinschaft, auch ohne gemeinsame Vergangenheit.

Mag. Anyanwu: Nation ist eine Schicksalsgemeinschaft und Schicksal ist übergreifend.
Wird jeden Tag gemacht.

Dr. Windischer Yussuf: Gemeinschaft ist größer als Österreich. Großvater ist Jugoslawe, 2 Kinder sind Brasilianer da dort geboren. (Jus terre). In Österreich Jus sanguinis, emotionale Blutsgedankengänge, diese Blutidee. Es gibt nur Blutgruppen, kein Tirolerblut, kein afrikanisches Blut. Rechtssystem in Österreich ist streng, kein Bekenntnis zum Einwanderungsland. Politik der Einwanderung ist in Österreich feindlich.
Innenministerin. Rechtliche Ungerechtigkeit per Verfassung und Rechtssprechung ist menschenfeindlich und ausländerfeindlich.
Asylwerber werden ausgeklammert und sind unerwünscht.
Österr. Staatsbürgerschaft und Politik: Heimat- Fremdheit- Diskurs
Zwei Rollen sind kognitiv wahrzunehmen: mit Arbeit und korrekten Papieren kann ich vielleicht bleiben. Noch keine emotionellen Heimatgefühle. Der Pass ist nur als Reisedokument zur Vereinfachung. Sonst bedeutet es nichts. Zwei unterschiedliche Pässe nur als einfachere Reisemöglichkeit.
Emotionelles Heimatgefühl hat mit Pass nichts zu tun.

Meditation

Mag. Anyanwu: Vorstellung des altkatholischen Bischofs in Österreich (Dr. Johannes Okoro). Beweis der gelebten Integration. Zwei Heimaten, duales Heimatverständnis.

Mag.a Johnson:
Wunsch nach Rollenswitch – Struktur und Rechtsverständnis. Wichtig zu wissen wo wir stehen, die Ausgangslage ist das bestehende Machtverhältnis. Verharmlosung des täglichen Rassismus, Stressfaktor, in Wien ist Stressfaktor angestarrt zu werden. Österreich nimmt sich als weiße, katholische Nation an, stimmt aber nicht. Die Realität der dritten, vierten Generation wird verdrängt. Absprechen von Rechten und Selbstverständlichkeiten.
Disk. über Andreas Hofer – regionale Identifikationsfigur, wer wird ausgeblendet in dieser Geschichtsschreibung? Auflösen der Kategorien – in der Geschichte Österreichs gibt es immer Minderheiten. (Video zur österr.- schwarzen Geschichte).
Seit 1974 in Österreich – keine Vorstellung von etwas anderem. Diskriminierung in der Wirtschaftskrise mehr geworden – Arbeitsplatzängste.
Heimat begrenzt auf Territorium. Im Rahmen einer Forschung: Auseinandersetzung mit Heimat.
Unterschiedliche Definitionen. In der Schule Differenzierung zwischen Einheimische und „Zuagrasten“.
Definition: Heimat ist nur lokal, max. territorial. 

Fr. Wetjen: Waschechte Tirolerin (geb. in Holland)
Mit Begeisterung Tirolerin, aber gelernt was Heimweh heißt, viel Verständnis für Asylanten.
In Hall gab es ein Asylantenheim, Überlegung etwas zu tun um Erleichterung zu schaffen.
Es entstand damals ein interkulturelles Frauenfrühstück, Migrantinnen und Asylantinnen wurde eingeladen. Thema war es „willkommen zu heißen“. Schritte zum Wohlfühlen.

Fr. Yazemin: höre täglich positive Meldungen von Frauen aus allen Ländern. Raum finden, wo wir zeigen können, wir sind füreinander da. Näheres Kennen lernen, trotz Sprachschwierigkeiten. Unterrichte in der Volksschule Reichenau – multikulturell, fühle mich angenommen. Gemeinsame Zukunft, solange ich mich akzeptiert fühle, kann ich HEIMAT sagen.

Samuel Obeng: Fühle mich als Tiroler weil ich hier geboren bin, man muss nicht unbedingt in der 4. Generation Tiroler sein. Auch wenn der Papa in Ghana geboren ist. Ich warte sicher nicht 4 Generationen, ich bin jetzt ein Tiroler.

Fr. Felly Fuchs: Ich bezeichne mich als waschechte Tirolerin – ich mach mir keinen Stress woher ich komme, ich sage „ aus Frastranz“. Wenn es stört, zu erklären wo wir herkommen, tu es nicht, es zwingt mich niemand.
Meine großen Kinder bezeichnen sich als Tiroler, sie fühlen sich als solche. Ich fühle mich ebenfalls als solche, ich muss nicht warten dass mir das jemand erlaubt.

Mag.a Gaugl-Anyanwu: Letztes Jahr Photoprojekt: Kinder aus bikulturellen Beziehungen haben keine Probleme mit Heimatbegriff oder dem damit verbundenen Selbstverständnis.
Verletzte Identitäten: Freundin sein „obwohl so braun“.
Probleme von Zugereisten hängen auch von Hautfarbe ab und sind nicht vergleichbar mit zugereist von Burgenland- unsensibler Umgang mit Sprache.
Szenische Einlage mit Spact Act: Stummer szenischer Dialog – raustreten aus diesem Dialog, hinterfragen – wieder hineingehen.

Mag.a Achaleke: Rahmenbedingungen in Österreich : restriktive Ausländergesetze. Partizipation als Grundlage zum Heimischfühlen – Wenn ich das Land nicht mitgestalten kann, kann ich mich nicht heimisch fühlen. Es gibt selbst organisierte Strategien und Initiativen, die Integration aktiv möglich machen wollen. Seit 2007 Black European Initiative. Wiener Deklaration schwarzer Europäischer Frauenrat. Nicht warten bis eingeladen werde, sondern selbst Initiative ergreifen. Nicht automatisch hilfsbedürftig und problembehaftet, aber Bereicherung.

Film

Raphael Obeng: Integration zwischen Schüler über Freundschaft zwischen Einheimischen und Ausländern.
Empfindet es als Bereicherung, über den Tellerrand hinausschauen zu können. Ich finde es einfach schön, mit anderen Kulturen Freundschaften zu schließen.

Fr. Doris Jäger: gebürtig in Tirol, lebe hier, bin hier zu Hause. Habe das negative Gefühl des „Wo kommst Du her“ nicht erlebt da in Tirol geboren. Bei Reisen jedoch oft erlebt, und als positiv empfunden. Natürlich ist es etwas anderes, als Urlaubsgast wahrgenommen zu werden. Frage: Was hätten Sie gerne gehört auf die Frage, „wo kommen Sie her“. Es ist wichtig, zu wissen. Interesse an etwas „anderem“.
Muss nicht unbedingt Nationalität etc. sein. 

Antwort von Mag.a Achaleke:  Es kommt darauf an, wie und wie oft die Frage gestellt wird, oder ob ich signalisiere, dass ich mich preisgeben will oder nicht.

Frau (Familienhintergrund: Französisch/Polnisch):
Meine Heimat ist kunterbunt ein Stückchen Polen, ein Stückchen Frankreich, ein bisschen Tirol. Kommunikation hat anders funktioniert, Heimat hat mit Wärme zu tun.
Heimat ist ein Kaleidoskop. Wenn ich bei mir bin, sind mir die anderen nicht fremd. Wenn ich mich erkenne, kann ich auch die anderen erkennen.

Herr:
Medien sind Meinungsmacher der Gesellschaft. Frage, wie kann diese Diskussion die Menschen  auf der Strasse erreichen? Eine Aufgabe für den Verein Initiative zur gelebten Integration.
Angriff in dem Medien: Diskussionen nach außen trage, in Printmedien und sonstige Medien

Abschluss – Prof. Stöger:
Was ist Heimat – eine Bierdeckelsammlung? Neue Wörter für Heimat?
Wir können das Sprachlose tun und die Wörter stellen sich von selber ein.
Grabinschrift: „Er emigrierte in den Himmel“.

Bezug auf Medien – Wahrnehmung unserer Welt nur über die Medien, was gibt es für Bilder über MigrantInnen in den Medien; Platz für MigrantInnen in dem Mainstream -Medien.

Verschiedene Aspekte von Heimat : Pass, Familie, Verwandte, Rahmenbedingungen, Umgebung, Wahrnehmung.

19:00: Schlussworte durch Mag. Walter Anyanwu

Im Anschluss an diese höchst interessante Gesprächsrunde gab es kulinarisch Köstliches für die Gäste der Veranstaltung im Restaurantbereich, im Foyer konnte ghanaisches Handkunstwerk des Vereines „Keta Tirol“ erstanden werden.

Im Saal spielten zuerst die nigerianische Musikgruppe „Ayakata Group“ und danach die ungarisch/osteuropäisch/türkisch/balkan Gruppe „divan tulip“.

Es wurde angeregt weiter diskutiert, gegessen, getanzt, gefeiert. Ein interessanter, informativer und gelungener Afrika-Tag 2009.